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Foodwatch-Studie Verbraucherschützer bemängeln erneut Uran im Trinkwasser

Aus deutschen Wasserhähnen fließt noch immer mit Uran belastetes Wasser. Schon 2008 machte die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch auf diesen Missstand aufmerksam. Doch geändert hat sich kaum etwas - es gibt keinen gesetzlichen Höchstwert für Uran im Trinkwasser.
Mineralwasser: Verbraucherschützer prangern erhöhte Uranwerte an

Mineralwasser: Verbraucherschützer prangern erhöhte Uranwerte an

Foto: ddp

Hamburg - Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch prangert erneut erhöhte Uranwerte im Trinkwasser an. Laut einer aktuellen Studie des Vereins enthalten zwölf Prozent der untersuchten Proben mehr als zwei Mikrogramm Uran pro Liter.  In einigen Regionen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt fanden die Verbraucherschützer vereinzelt sogar Werte über zehn Mikrogramm.

Für die Studie zog Foodwatch 5000 Messwerte heran, die aus allen 16 Bundesländern geliefert wurden. Bereits im August hatte Foodwatch Messwerte zu Uran im Trinkwasser veröffentlicht.Damals enthielt jede achte Probe mehr als zwei Mikrogramm.

"Wir fordern eine Grenze von zwei Mikrogramm Uran pro Liter", sagt Foodwatch-Sprecher Martin Rücker. "Wir brauchen einen Gesundheitsschutz, der absolut sicher ist."

Uran im Trinkwasser klingt erst einmal dramatisch. Es hat aber nichts mit Atomkraftwerken oder radioaktivem Müll zu tun. Vielmehr kommt Uran natürlich in Gesteinen und Mineralien vor. Die Menge variiert je nach Region. Deshalb kann die Konzentration auch im Trinkwasser unterschiedlich sein. Uran kann laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) aber auch über mineralische Phosphatdünger ins Erdreich gelangen.

Säuglinge sind besonders hohem Risiko ausgesetzt

Weltgesundheitsorganisation (WHO)

In höheren Dosen kann Uran Nierenschäden verursachen. Umstritten ist jedoch, ab welcher Menge das Schwermetall tatsächlich schädlich ist. Das Umweltbundesamt, das für die Bewertung der Trinkwasserqualität zuständig ist, empfiehlt die Einhaltung eines Leitwertes von zehn Mikrogramm Uran pro Liter Wasser. Die gibt als Richtwert 15 Mikrogramm vor.

Die WHO hat für den Uran-Gehalt im Trinkwasser außerdem einen Höchstwert für die Aufnahme ermittelt, der bei 0,6 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht liegt. Ein Mensch, der 60 Kilogramm wiegt, könnte also ohne Schaden zu nehmen jeden Tag 36 Mikrogramm Uran zu sich nehmen.

Anders sieht es bei Säuglingen aus. Sie sind einem besonders hohen Risiko gegenüber Schadstoffen im Trinkwasser ausgesetzt. Der Grund: Sie nehmen im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht mehr Flüssigkeit zu sich als ein Erwachsener. Ein drei Monate alter Säugling kann laut BfR lediglich eine Menge von sechs Mikrogramm Uran pro Liter Wasser zu sich nehmen ohne ein gesundheitliches Risiko einzugehen.

Kein gesetzlich vorgeschriebener Uran-Grenzwert

Die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vom März 2009 bestätigen die besondere Gefährdung von Säuglingen. In ihrem Gutachten weist die Behörde darauf hin, dass bei Säuglingen die Uranaufnahme aufgrund ihres Körpergewichts dreimal höher sein kann als bei Erwachsenen.

Bundesgesundheitsministerium

Dennoch gibt es bislang weder auf deutscher noch auf europäischer Ebene einen gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwert für Uran im Trinkwasser. Das (BMG), das für Leitungswasser zuständig ist, will einen Grenzwert von zehn Mikrogramm einführen. Für Mineralwasser wiederum ist das Verbraucherschutzministerium zuständig, das derzeit keinen Handlungsbedarf sieht.

Einzige Ausnahme für einen Höchstgehalt: Steht auf dem Etikett einer Mineralwasserflasche der Zusatz "geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung" dürfen maximal zwei Mikrogramm Uran pro Liter Wasser enthalten sein. Dieser Maximalwert wurde 2006 vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfohlen.

Für Leitungswasser gibt es hingegen keinen Höchstwert. Das BfR bewertet es als uneingeschränkt geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung, sofern es einen Urangehalt von zehn Mikrogramm pro Liter nicht überschreitet.

"Die Bundesregierung vernachlässigt ihre Fürsorgepflicht"

Bei Mineralwässern gilt also ein Höchstwert für Säuglinge, der bei Leitungswasser nicht gelten soll. Diese Doppelmoral prangert Verbraucherschützer Rücker an. "Es kann doch nicht sein, dass wir zwar für einen Werbehinweis auf Wasserflaschen einen Grenzwert haben, aber unnötig hoch belastetes Trinkwasser durch unsere Leitungen fließen lassen." Zehn Mikrogramm seien unbestritten zu viel für den schwächsten Teil der Bevölkerung, also Säuglinge und Kleinkinder.

Beim BfR heißt es dazu, Trinkwasser sei ein Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs, das nicht gesondert für bestimmte Verbrauchergruppen beurteilt werde. Zudem hätten Untersuchungen gezeigt, dass die Urangehalte im Trinkwasser überwiegend unter zwei Mikrogramm Uran pro Liter lägen.

Anders sei es jedoch bei Mineralwasser. Wenn es ausdrücklich als "geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung" beworben werde, müsse es zum Schutz vor irreführenden Angaben Höchstgehalte für Uran geben, so das BfR.

Die Bundesregierung hat schon mehrfach über einen Grenzwert für Uran nachgedacht. Im September 2008 etwa sprach sich der damalige Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) im Gespräch mit der "Berliner Zeitung" dafür aus: "Wir brauchen einen Grenzwert für diesen Stoff." Das Bundesgesundheitsministerium kündigte einen Grenzwert für Herbst 2009 an, das Vorhaben wurde jedoch verschoben. Ein Gesetzentwurf soll nun im Frühjahr 2010 dem Bundesrat zugeleitet werden.

"Die Bundesregierung vernachlässigt in sträflicher Weise ihre Fürsorgepflicht für die Bevölkerung, sagt Foodwatch-Sprecher Rücker. "Die Behörden sind dem Gesundheitsschutz verpflichtet. Es muss endlich einen Grenzwert geben. Und zwar einen richtigen, der nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse ignoriert."

Wenig Geld für wirksamen Schutz

Dass es technisch möglich ist, den Uranwert im Trinkwasser zu senken, zeigt sich im bayerischen Ort Maroldsweisach. Dort reagierten die Behörden nach der Foodwatch-Studie von 2008, bei der in dem Ort Werte bis zu 39 Mikrogramm Uran pro Liter Trinkwasser festgestellt wurden, und installierten für 100.000 Euro eine Uranentfernungsanlage. Seitdem liegen die Uranwerte nach Auskunft des Bürgermeisters Wilhelm Schneider unter einem Mikrogramm pro Liter. Bisher verteuerte sich das Wasser für die Bürger nicht. "Das kann sich allerdings noch ändern", sagt der Bürgermeister im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Denn bisher sei das Uran noch nicht entsorgt worden.

In der Regel dürfte Wasser durch eine Uranentfernungsanlage im Schnitt um fünf bis zehn Cent pro 1000 Liter teurer werden, schätzt Uwe Sauer, Vertriebsingenieur bei Krüger-Wabag, eine Firma, die Uranentfernungsanlagen herstellt und auch den Ort Maroldsweisach belieferte. Die Deutschen verbrauchen im Durchschnitt 126 Liter Wasser am Tag. Auf jeden Bürger kämen also Kosten von etwa 4,60 Euro pro Jahr zu.

Uranwerte haben sich etwas verbessert

"Ein wirksamer Schutz sollte uns dieses Geld wert sein", findet Foodwatch-Sprecher Rücker. "Aber nicht jedes Wasserwerk muss gleich eine Uranentfernungsanlage installieren." Häufig helfe schon, das belastete Wasser mit anderen Quellen zu mischen. "Doch solange es keinen gesetzlichen Zwang gibt, wird vielerorts nichts getan. Das ist deprimierend."

Immerhin haben sich seit der Foodwatch-Studie von 2008 die Uranwerte im Trinkwasser insgesamt etwas verbessert. Die Zahl der Proben, die Messwerte von über zehn Mikrogramm Uran ergaben, ist gesunken. Bei der Foodwatch-Studie von 2008 enthielten noch 1,8 Prozent der Wasserproben über zehn Mikrogramm Uran, 2009 waren es nur noch 0,9 Prozent. Die Verbraucherschützer weisen allerdings darauf hin, dass der Vergleich ungenau sein könnte, weil vereinzelte Wasserwerke veraltete Werte angegeben haben. Außerdem sendeten 2008 mehr Wasserwerke ihre Werte ein als 2009.

Gerhard Frank, Leiter des Bereichs Sicherheitsmanagement am Karlsruher Institut für Technologie, betont jedoch: "Bei allen Schadstoffen gilt: Je weniger man davon zu sich nimmt, desto besser."